Kinderhaus Sulz
Der Standort für das Kinderhaus Sulz im Ortszentrum der Gemeinde Sulz in Vorarlberg ist ideal: In direkter Nachbarschaft zu anderen Bildungsbauten (Volksschule, Bestandskindergarten, Musikpavillon) sowie der Kirche St. Georg und dem denkmalgeschützten Pfarrhaus ergab sich im Zuge des Neubaus die einmalige Gelegenheit einen öffentlichen Freiraum – einen „Kinder-Campus“ – zu schaffen, der vor allem auf die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet ist und die umliegenden Gebäude räumlich und autofrei miteinander verbindet. Ganz bewusst ist dieser Freiraum als vollständig öffentlicher Raum konzipiert: Er steht genauso für Spaziergänger, Dorffeste oder Kirchenbesucher zur Verfügung.
Für die Architektur war der Bauplatz umso mehr eine Herausforderung: Ein nach Norden ausgerichteter 6 Meter hoher Hang, der zusammen mit dem Pfarrhof und der Kirche ein sensibles, traditionelles Ensemble bildet und dem eine geologische Besonderheit zu Grunde liegt: Diese vereinzelten Hügel im ansonsten flachen Rheintal bestehen aus felsigen Gesteinsschichten, die seit jeher gerne als Standorte für Kirchen ausgewählt wurden.
Das neue Kinderhaus stellt sich als ein kompaktes, ca. 20 x 20 m großes, viergeschossiges Bauvolumen dar. Die eigentlichen Kinderbetreuungsräume befinden sich in den oberen beiden, rundherum belichteten Geschossen. In den beiden „in den Hang geschobenen“ Stockwerken sind die öffentlicheren Teile des Raumprogramms untergebracht, die die Idee der gemeinschaftlichen Nutzung für die Öffentlichkeit auch innerhalb des Gebäudes realisieren: Der große Bewegungsraum im Erdgeschoß steht als Mehrzwecksaal der gesamten Bevölkerung zur Verfügung, im Speisesaal werden auch Kinder der Volksschule und des Bestandskindergartens bekocht, der Besprechungsraum des Personals wird regelmäßig für ärztliche Untersuchungen genutzt.
Architektonische Umsetzung dieser Idee des halb-öffentlichen Hauses ist der zentrale Treppenraum, der das Gebäude über die gesamte Länge gliedert und den Eingang im Erdgeschoss (unterhalb des Hanges) und den Eingang im 2. Obergeschoss (oberhalb des Hanges) räumlich verbindet und so die Topographie auch im Gebäudeinneren architektonisch inszeniert.
Die Größe des Kindes wurde zur Leitidee der Architektur: Die Fensteröffnungen sind aus den Proportionen der Kinder und den Notwendigkeiten der Räume abgeleitet: Viele Fenster sind für Erwachsene zu niedrig, die Laibungen dienen den Kindern als Sitznischen, nur die öffenbaren Fenster befinden sich auf der für Erwachsene gewohnten Höhe. Auch im Gebäudeinneren gibt es viele Durchblicke und Fensternischen, die dem kindlichen Maßstab und Spiel gerecht werden und komplexe, vielschichtige Raumerfahrungen erzeugen. Dabei wurde darauf geachtet, das besondere Raumempfinden von Kindern zu berücksichtigen und dem Wunsch nach Kleinteiligkeit, verschiedensten Situationen und geschützten Raumkonfigurationen zu entsprechen.
Das Thema der Maßstäblichkeit findet sich auch im Fassadenmaterial wieder. Der klassisch gemauerte Handziegel verleiht der Fassade einen Maßstab, der das aus den kindlichen Größen abgeleitete Spiel der verspringenden Fenster auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ bringt und rhythmisiert. Eine planerische und handwerkliche Herausforderung, mussten doch alle Fensteröffnungen auf das Mauermaß des Ziegels angepasst werden.
Im Inneren wurde im Treppenraum mit Sichtbeton gearbeitet. Die Kinderbetreuungsräume werden von Holzoberflächen (Esche mit Kern) dominiert. Das Gebäude entspricht höchsten Energieanforderungen, die kompakte Bauform, beste Dämmwerte der Fassade, Erdwärme als Energieträger und außenliegender Sonnenschutz garantieren zusammen mit der ausschließlichen Verwendung von ökologisch zertifizierten Materialien beste Energiewerte und ein durch Messungen bestätigtes hervorragendes Raumklima.
Bauherr/in: Gemeinde Sulz
Architektur: Christian Mörschel & Jochen Specht
Fotografie: Adolf Bereuter
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